JUGENDARBEIT im Jubiläumsjahr 1993 im Kinder und Jugendzentrum Kinderhaus im Bürgerhaus.
Start der Jugendarbeit in das Jubiläumsjahr
Münster mit der„ Los gehts Party “ in der Halle Münsterland am 6.1.93, dem gut besuchten Internationalen Galaabend im Bürgerhaus am
16.1.93 und der „Türkischen Nacht“ am 6.2.93. Die Asiatische Nacht musste auf den 8.5.93 verlegt werden da unsere vietnamesischen
Freunde kurzfristig noch ein anderes Fest „aus der Tasche“ zogen, das für sie vorging. Hier zeigen sich Probleme bei der Programmgestaltung
in einem Jugendzentrum, die zum Alltag gehören, wenn man mit ausländischen Jugendlichen zusammen lebt. Wir Deutsche haben mit unserem
Jahreskalender und seiner festen Ferien-und Feiertagsregelung keine Probleme. Anders sieht es mit den sich ständigen verändernden
Zeiten der türkischen Fastenzeit (Ramadan) aus und der z.B. noch beweglicheren Neujahrszeitenregelung Asiens, die sich Jahr für Jahr
im Zeitraum Januar bis März bewegt. Da kann es dann schon vorkommen, dass sich viele große Feste in kurzer Zeit häufen, was den eigentlichen
Festen aber keinen Abbruch tut. Einzelne wittern hier blinden Aktivismus, doch schon seit 1988 finden diese Veranstaltungen im Jugendzentrum
und Bürgerhaus regelmäßig statt und erfreuen sich immer noch größerer Beliebtheit bei den Besuchern und organisierenden Jugendlichen,
haben sie doch hier bei den Vorbereitungen ein breites Feld der Bestätigung, Selbstverwirklichung, Mitbestimmung und Verantwortung.
Der Besuch von unserem Oberbürgermeister Dr. Jörg Twenhöven bei der "Türkischen Nacht" am 6.2.93, die sich intensiv über das Leben
und die Probleme türkischer Jugendlicher in der extra für diesen Abend gestalteten türkischen Teestube im Jugendcafe, mit den vielen
jugendlichen Besuchern unterhielt, war gleich zu Beginn ein Höhepunkt. Für große Feste ist in Kinderhaus immer Bedarf und wenn es
nach dem Willen der Jugendlichen gehen solle, müsste mindestens einmal im Monat im Bürgerhaus eine große Fete sein, von Galaabend,
Ausländerfesten, Tanzabende und Playbackshow, bis hin zu jahreszeitlich bedingten Festen wie Karneval, Skater- Weltmeisterschaft und
Oktoberfest mit richtiger Bayernkapelle und Jodlern! und viele, viele Leute, damit so richtig was in Kinderhaus los ist! Eine große
Agora ist jedenfalls vorhanden mit dem großen Idenbrockplatz davor!
Den Aktiven des Jugendzentrums macht das aber nichts aus, denn
sie haben für den wöchentlichen Alltag genug Räume und wissen wie sie ihre Freizeit, nach getaner Schularbeit und Hilfsdiensten zu
Hause, z.B. Einkaufen gehen, Müll entsorgen, mit dem Familienhündchen Gassi gehen etc. auch im Jugendzentrum sinnvoll gestalten können.
Während
die einen Jugendlichen am liebsten jeden Tag Kegeln möchten, die anderen sich stundenlang an Brettspielen oder am Video-Game, Kicker-
und Billardtisch belustigen, so gibt es doch eine erstaunlich große Gruppe, die viele Stunden ihrer Freizeit für anderen Jugendlichen
opfert. Sei es, dass sie stundenlang hinter der Jugendcafetheke Getränke und Eis verkaufen oder Pizza backen, für die richtige musikalische
Umrahmung mit Hilfe selbst aufgenommener Musiktapes sorgen und dabei immer auf die Wünsche der Besucher eingehen müssen.
Seit Januar
wird emsig das "DEE JAYS INN" gründlich renoviert. DEE JAYS INN, so lautet der selbst ausgesuchte Name der unter Jugendlichen weit
über Münster hinaus bekannt gewordenen Jugenddiskothek im Kinder-und Jugendzentrum Kinderhaus. Dazu gehören der DEE JAY – Raum und
der Raum für die Computerwerkstatt. Während andere sich vergnügen, arbeiten seit Januar, ca. 30 Jugendliche im Wechsel in ihrer Freizeit.
Das sind Jugendliche des DEE JAYS INN, der Thekenteams, Mädchen der Play-Back-Show-Gruppe und die 8 „Rapper“ der neuen deutsch-türkischen
Tanzgruppe. Und alle haben voll zu tun. Alte vergammelte Teppichflächen der Sitzpodeste müssen entfernt werden, Kabelkanäle mitsamt
den vielen Metern Kabel für die neue umfangreiche Effektbeleuchtung gelegt, und ein neues Gestell für das DEE-JAY-Equipment geschweißt
werden; die Boxen bekommen einen neuen Anstrich.
Da werden Fliesen im NANU (Teenietreff mit Petra Spiller im ehemaligen Bistro) ausgebessert
und neue Vorhänge selbst genäht. Fachkundige Beratung und Hilfe bekommen sie von den Honorarkräften der Kurse, die alle Fachleute
sind. So mancher bekommt die erste Anleitung zum Schweißen geboten. Während die einen wochenlang schuften, beschweren sich schon die
anderen:
„ Wann macht denn endlich wieder die Disco auf! Wann seid ihr fertig! Warum dauert das soo lange!"
Draußen zu bleiben braucht
aber dennoch keiner, denn der Offene Treff, die Video-, D-Jay- und Motorrad-Trial Gruppe in Zusammenarbeit mit dem MOT-TREFF-KOTTEN
e.V., die Metall-, Foto- und Fahrradwerkstatt, Gitarren-, Schlagzeug- und Keybordkurse u.v.m, laufen weiter. Kegeln, Kickern und Flippern
stehen zu allen Zeiten hoch im Kurs und wer sich von den 12-16 Jährigen sportlich zwischendurch betätigen will, hat jetzt jeden Montag
und Mittwoch von 16-18 Uhr unter Anleitung eines echten Trainers in der Turnhalle der Waldschule Gelegenheit dazu. Nach vielen Versuchen
starten
wir nochmals eine Mofawerkstatt dienstags ab 18 Uhr.
Die Computerwerkstatt ist zur Zeit voll ausgebucht, da die Dee-Jays sich ein Musikverwaltungsprogramm
selbst erarbeiten. Wer nur mal einen Kaffee trinken kommt, ob Jugendliche oder Erwachsene, weiß nicht, was wirklich im Jugendzentrum
los ist, was die "Kinder" dort machen und wie viele Stunden für die Vorbereitung von Aktionen aufgebracht werden müssen und was für
eine aufwendige Zeit dahinter steckt.
Das fängt mit der Vorbesprechung an, in der jeder seine Vorstellung über die Gestaltung und Wünsche
von Material und Farbe zum Besten gibt. Dann wird gemessen, Preise verglichen und ausgerechnet, ob das zur Verfügung stehende knappe
Geld des Jugendzentrums dafür ausreicht. Bei diesen Versammlungen geht es oft „hoch“ her, denn jeder hat was zu sagen, jeder will
ernst genommen werden. Denn besonders knapp ist das Geld im Jubiläumsjahr, zumal das Jugendzentrum Kinderhaus, wie auch die anderen
städtischen Jugendzentren, sich finanziell aus ihren Programmitteln, die ja eigentlich nur für die Jugendzentren gedacht sind, bei
der Durchführung des Kinder- und Jugendcamps am Aasee beteiligen werden und auch Mittel für die Umgestaltung des kurzfristig angeschafften
Doppelstöcker-Omnibus bereitstellen, mit dem hoffentlich auch nach dem Jubiläusjahr für die neue Jugendarbeit in Münster Reklame gefahren
wird?
Doch die Jugendlichen sind da optimistischer, denn schließlich kommt Eintrittsgeld wieder rein, wenn die Disco renoviert und
wieder geöffnet sein wird. Dann können sie mit dem eingenommenen Geld weiter Planen und sich das kaufen was sie wollen.
Mitbestimmen
und alles selber machen steht oben an. Sie suchen sich selbst in der Dee Jay Gruppe die Platte aus, die sie haben wollen und gehen
allein einkaufen und bezahlen immer mit Bargeld aus der gemeinsamen Kasse. Sie haben mittlerweile ein gutes Gespür entwickelt, wo
in der Stadt der billigste CD-Laden ist oder wo man nach Schnäppchen suchen muß. So lernt man Selbständigkeit, Geld sparen und einteilen.
Das
Cafe soll auch noch verschönert werden, denn wir haben ja das Jubiläumsjahr, und wenn die Stadtväter in Münster schon ein Jahr lang
vorher die Stadt mit ihren vielen Gebäuden und Straßen an allen Ecken und Kanten putzen und wiehnern, wollen die Jugendlichen von
Kinderhaus nicht hinten anstehen. Auch sie wollen sich verständlicherweise repräsentieren und hoffentlich, wenn das Werk vollendet
ist, auch gelobt werden. Anerkennung ist nicht nur das Salz für Künstler ! Wahrlich derer gibt es viele ! So möchte man jedenfalls
glauben, wenn monatlich die Kreativ-Elite des Bürgerhauses ihre Freizeitprodukte in der Galerie ausstellt oder auf kilometerlangen
Verkaufstischen bei den zu dutzenden stattfindenden Floh- und Kreativmärkten die Massenprodukte von getrockneten Blumen, Töpferwaren,
Seidenmalereien und Puppenköpfe zur Aufbesserung des Haushalts- und Taschengeldes an den Mann und die Frau bringt.
Was bedeutet dann
schon die Kreativität und liebevolle Hingabe der Jugendlichen, mit der sich die Jugendlichen ihren Freizeitbereich nach ihren Vorstellungen,
nach ihrer Zeiteinteilung, oft bewußt, contra der Vorstellung von Erwachsenen-Kultur gestalten wollen?
Sehr wenige Eltern kommen in
das Jugendzentrum. Sie überlassen es lieber ihren Kindern, wissen sie wohl, dass sie einen Ort brauchen, wo sie auch mal ungestört
unter Gleichaltrigen sein können: Öfter könnten die Eltern trotzdem kommen!
DER CHRONIST AUS KINDERHAUS VON 1993 BERICHTET
INTERNATIONALER OFFENER JUGENDTREFF
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BERATUNG UND BETREUUNG VON JUNGEN MENSCHEN MIT FLUCHTHINTERGRUND